VOLKER EICK JÖRG ARNOLD (HRSG) 40 JAHRE RAV –

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VOLKER EICK JÖRG ARNOLD (HRSG) 40 JAHRE RAV –
VOLKER UND MARKUS SCHECKE IN EIFERT S SL ODBA

Resension: Volker Eick/ Jörg Arnold (Hrsg

Volker Eick/ Jörg Arnold (Hrsg.), 40 Jahre RAV – Im Kampf um die freie Republik und um ein demokratisches Recht, Verlag: Westfälisches Dampfboot, Münster 2019, 417 Seiten.


2019 ist der RAV 40 Jahre alt geworden. Zu diesem runden Geburtstag haben viele seiner Mitglieder und Freunde ein Buch zur Verteidigung der freien Republik geschrieben. Nun wird sich der eine oder die andere fragen, was denn RAV wohl bedeutet – jedenfalls stellte mir diese Frage ein guter Freund – selbst Jurist. RAV bedeutet: „Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein“. Die Frage wirft leider ein Licht auf den Bekanntheitsgrad des Vereins, der deutlich größer werden könnte. Das stellen unterschiedliche Autoren auch selbstkritisch fest, aber welches Kraut ist gegen Mitgliederstagnation in der atomisierten Gesellschaft des Neoliberalismus gewachsen? Über die tatsächliche Mitgliederzahl oder Größe des RAV wird allerdings nichts berichtet.

Der RAV wurde am 11. Februar 1979 in der Stadthalle in Hannover gegründet. Spiritus Rektor war Werner Holtfort, weitere Initiatoren Heinrich Hannover und Rudolf Monnerjahn. (325) Die beiden Erstgenannten wurden auch zum Vorsitzenden und Stellvertreter des RAV gewählt. Werner Holftort blieb lange Jahre Vorsitzender des RAV, nämlich bis 1986 und fingierte dann bis 1992 weiter als Ehrenvorsitzender. Wegen seiner dominanten Stellung im RAV wurde dieser auch Holtfort-Club genannt.

Holtfort wurde sicher auch zur Gründung eines progressiven, republikanischen Juristenvereins angeregt, weil er kurz vorher üble Erfahrungen mit den Justizkrähen gemacht hatte, die gegenseitig ihre Augen verschonen, nämlich als er einen ehemaligen Nazi, der sich unter falschem Namen eine Anwaltszulassung erschlichen hatte, eben diese Zulassung wieder entziehen wollte. (327 ff) Es erübrigt sich darauf hinzuweisen, dass der RAV nichts mit der später gegründeten rechten Partei „Republikaner“ gemein hatte. Zum gerichtlichen Streit um den Namen sei es nicht gekommen, kann man dem Buch entnehmen, weil befürchtet wurde, dass der Bekanntheitsgrad beider Organisationen in der Bevölkerung abgefragt worden wäre, was wohl dazu geführt hätte, dass der RAV und nicht die Partei das republikanisch hätten streichen müssen – das Problem wurde schon angesprochen.

Nun aber zu der Festschrift zum 40ten Geburtstag, die sich der Verein selbst geschenkt hat. Sammelbände verheißen, so meine Erfahrung wenig Gutes. Weil die Autoren angefragt werden, kann ihnen selten abgesagt werden, wenn sie wenig Überzeugendes abliefern oder alte Texte noch einmal aufkochen. Die Sammelbandbefürchtung bestätigt sich auf den ersten Blick – der aber bei gründlicher Lektüre zu revidieren ist –, wenn man sich das Inhaltsverzeichnis ansieht. Die Beiträge erscheinen nach den Titeln wie ein Bauchladen oder ein buntes Sammelsurium nicht zusammen hängender Themen. Sie reichen in den insgesamt 37 Beiträgen von der Besprechung eines Urteils des Bundesgerichtshofs der sich auf Kollisionskurs mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte begibt (Ricarda Lang & Andreas Lickleder) über eine geschlechterkritische Perspektive auf den Rechtsruck in Europa (Birgit Sauer) oder den „Ausbruch aus dem Gefängnis des Knastsystems“ (Helmut Pollähne), ein Kamingespräch über den RAV im Wendland (Ulrike Donat, Dieter Magsam & Lukas Theune) und den Verfassungsschutz und die Demokratie (Rolf Gössner) bis zum Bayerischen Polizeiaufgabengesetz (Hartmut Wächtler) und der Geschichte des RAV (Peer Stolle).

Steigt man dann aber in die Lektüre der mit ca. 10 Seiten angenehm kurzen Beiträge ein, ergibt sich aus dem scheinbaren Potpourri ein Panorama, nämlich ein gelungener Überblick über die Geschichte des Rechtsstaates in der BRD in Schlaglichtern oder eine Gesamtschau der Aktivitäten kritischer Juristinnen in Theorie und Praxis. Hier können selbstverständlich nicht alle Beiträge gewürdigt werden, deshalb greife ich einige heraus, die mich besonders interessierten.

Ingo Müller reflektiert in seinem Beitrag „Wie es zur Gründung des RAV kam“ nicht nur die Geschichte des RAV, sondern gleichsam als Beiwerk, die Krisen des Rechtsstaates in der Bundesrepublik. Der Beginn war eine große Krise, weil die alten Nazi-Seilschaften weiter agierten und in hohen Ämtern saßen. Müller spiegelt das in der schon angesprochenen Geschichte von Holtfort und seiner Auseinandersetzung mit einer Jurisprudenz, welche die „alten Kameraden“ schützte. Die zweite große Krise des Rechtsstaates ist die Krise des „deutschen Herbstes“, also die Reaktion des Staates auf die RAF. „Die Begleitmusik der Anti-Terror-Gesetzgebung,“ schreibt Müller, „bildete eine von Bundesjustizministerium und Bundesanwaltschaft initiierte publizistische Offensive gegen die ‚Anwälte des Terrors’. Schon 1972 hatte der spätere Generalbundesanwalt Buback in einem Interview mit der Illustrierten Stern behauptet, ‚dass die Entgegennahme solcher Mandate standeswidrig ist’. … Daneben liefen gegen alle linksverdächtigen Anwälte Straf- und Ehrengerichtsverfahren, 1977 allein gegen die Rechtsanwälte“ – es folgt eine lange Liste von Namen. (325 ff) Durch übermäßige Reaktion war der Staat an der Entstehung des Terrors beteiligt, den er zum Anlass nahm, rechtsstaatliche Garantien – und die anwaltliche Vertretung im Strafverfahren ist eine Mindestgarantie – zu schleifen. Müller führt dies noch einmal eindrücklich vor Augen.

Gabriele Heinecke beschreibt die „Politische Justiz nach G20: ‚Erkennbar rücksichtslose und tief sitzende Gewaltbereitschaft“ und beleuchtet damit ebenso wie Anna Luczak mit dem Beitrag „Auf der Straße, in der Gesa, vor Gericht. Anwaltlicher Notdienst G8 Heiligendamm“ zwei weitere Tiefpunkte des Rechtsstaates in der Bundesrepublik. Heinecke beschreibt die Geschichte des 18jährigen, italienischen Demonstranten Fabio V., der Anfang Juli in Hamburg festgenommen wurde und erst Ende November 2017 wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, wobei das Gericht eine Strafbarkeit wegen Landfriedensbruchs nicht ausschloss, da Fabio zwar keiner konkreten Gewaltanwendung, aber des „ostentativen Mitmarschierens“ verdächtig sei. Heinecke bemerkt: „Die Argumentation der Richterin scheint nur nachvollziehbar, wenn sie nur die Entscheidung des Oberlandesgerichts, nicht aber die Entscheidung des Bundesgerichtshofes gelesen hat.“ (223)

Tobias Singelnstein erläutert in seinem Beitrag „Soziale Kontrolle, Polizei und Rechtsstaat in Zeiten der Sicherheit“ seine These, dass sich polizeiliches Handeln und strafrechtliche Sanktionen vorverlagert haben und zunehmend die soziale Kontrolle ins Interesse der Sicherheitsbehörden gelangt. Er schreibt: „Aus der Perspektive der Sicherheit geht es heute weniger um die Reaktionen auf Normverstöße, Verdachtssituationen oder konkrete Gefahren. Vielmehr setzt diese Perspektive deutlich früher an, um potentielle Probleme möglichst früh und umfassend zu identifizieren. Risiko und mögliche Gefährlichkeit sind der Maßstab, anhand dessen Situationen und Personen beurteilt werden.“ (312) Damit macht er eine Tendenz deutlich, die in der Diskussion um die neuen Polizeigesetze auch öffentlich problematisiert wurde.

Nun sind nicht alle Beiträge gleich gut, deshalb sei abschließend auch ein wenig gelungener Beitrag erwähnt. Ausgerechnet einer der Herausgeber, Volker Eick, bleibt in seinem Beitrag zur „Entgrenzung des staatlichen Gewaltmonopols. Zur Kommerzialisierung öffentlicher Sicherheit“ an der Oberfläche. Eick diskutiert wesentlich das Phänomen der privaten Sicherheitsdienste. Aber die Entwicklung wird nicht deutlich, weder wird belegt, in welchem Maßstab sie im Verhältnis zur Polizei gewachsen sind. Konkrete Zahlen gibt es manchmal, aber sie bleiben isoliert, zeigen keine Entwicklung, bleiben ohne Maßstab. Unklar bleibt auch, ob und wie die Befugnisse der Sicherheitsdienste erweitert wurden. Die Verrechtlichung der Zulassung zum Sicherheitsgewerbe kritisiert Eick, weil das Gesetz die bestehenden Probleme nicht im Ansatz löse. (69) Es fehlt eine Analyse oder Beschreibung der Probleme, so ist man nach der Lektüre des Beitrages nicht wesentlich schlauer als vorher.

Trotzdem ein Buch, das nicht nur die Mitglieder des RAV interessieren sollte.

Andreas Fisahn





fürs Autorenverzeichnis: Andreas Fisahn (Universität Bielefeld), Neuere Veröffentlichungen: Ridvan Ciftci / Andreas Fisahn, Nach-Gelesen - Ein- und weiterführende Texte zur materialistischen Theorie von Staat, Demokratie und Recht, Hamburg 2019; Recht, Staat und Demokratie - Eine Einführung in das politische Denken von Marx und Engels, Köln 2018; Die Saat des Kadmos - Staat, Demokratie und Kapitalismus, 1. Auflage, Münster 2016.

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