SENNENTUNTSCHI ODER SENNPOPPA NACH EINEM STÜCK VON HANSJÖRG

SENNENTUNTSCHI ODER SENNPOPPA NACH EINEM STÜCK VON HANSJÖRG






Sennentuntschi oder: Sennpoppa


Sennentuntschi oder: Sennpoppa

Nach einem Stück von Hansjörg Schneider,
ins Liechtensteinische übertragen von Stefan Sprenger, bearbeitet von Stefan Sprenger und Brigitta Soraperra


TaK-Koproduktion mit allerArt Bludenz


Premiere: Donnerstag, 25. Nov. `04


Weitere Vorstellungen im TaK:

Samstag, 27. Nov. `04

Donnerstag, 9. Dez. `04

Freitag, 10. Dez. `04

Samstag, 11. Dez. `04

Mittwoch, 12. Jan. `05

Donnerstag, 13. Jan. `05

Freitag, 14. Jan. `05


Weitere Vorstellungen in der Remise Bludenz:

Donnerstag, 2. Dez. `04

Freitag, 3. Dez. `04

7. Jan. 05

8. Jan. 05



Besetzung


Maria Eveline Ratering

Benedikt Klaus Schöch

Fridolin Markus Mathis

Mani Leander Marxer



Regie Brigitta Soraperra

Regiemitarbeit Carmen Rossi

Bühne Barbara Pulli

Kostüme Barbara Mens
Musik Stefan Frommelt
Video Martin Platzgummer

Dramaturgie Jens Dittmar



Technische Leitung Martin Hilti

Licht Ralph Ospelt

Ton Elmar Bösch

Requisite Albi Büchel
Bühnentechnik Alesandra Beiro, Gabriele Manco

Maske Annette Ospelt



Die Guschger Sennpuppe1


In der Alpe Guschg am Schönberg haben im Sommer einmal die Alpknechte nicht gerade viel zu tun gehabt und infolgedessen zur Kurzweil allerhand Spässe getrieben. So haben sie einmal aus Lumpen eine grosse Puppe gemacht. Sie haben mit ihr geschwätzt, sie auf den Arm gepöpplet, ihr auch Milch und Mus gegeben. Manchmal haben sie ihr auch Schläge gegeben und mit ihr gezankt, weil sie gar nicht zu reden anfangen wollte.

Wie der Herbst kam, haben sie wieder zu Tal fahren müssen, und alle Knechte haben noch einmal zusammen gegessen. Da hat auch die Puppe wieder dabei sein müssen, und während des Essens haben sie wieder allerlei Unfug mit ihr getrieben.

Bevor sie mit dem Essen fertig waren, hat die Puppe auf einmal zu reden angefangen. Darüber sind alle zusammen sehr erschrocken und sind mäuschenstill geworden und haben einander nur so angeschaut. Ganz fürchtige Augen aber haben sie gemacht, wie die Puppe ganz ernst und böse einen nach dem anderen angeschaut und dann gesagt hat: „Ihr anderen könnt alle heimgehen, aber der Senn da“ – und sie hat auf ihn gezeigt – „muss bei mir bleiben.“

Weil es denn so hat sein müssen, ist der Senn geblieben, und die andern haben abgetrieben. Als sie ein Stück weit von der Hütte entfernt waren, haben sie an den Sennen gedacht und aus Neugierde noch einmal zurückgeschaut. Da ist ein Schrecken durch sie gefahren, und am ganzen Leib haben sie gezittert. Denn auf dem Dach der Sennhütte haben sie die haut des Sennen ausgespannt gesehen, und daneben sass die Puppe und lachte höhnisch.


Otto Seger


Die Sennenpuppe


Die geographische Verbreitung der Sage reicht von den Berner Alpen über Uri, Graubünden, das St. Galler Oberland bis nach Liechtenstein, Vorarlberg, Tirol und Kärnten. Varianten sind im Oberwallis, in der Steiermark und in Oberbayern verbreitet. In Liechtenstein ist es die Sage von der „Guschger Sennpuppe“.


Die Guschger Sennpuppe


Einmal, zur Sommerzeit, hatten die Hirten auf Guschg wenig zu tun. Aus Kurzweil bastelten sie eine Puppe und trieben ihr Spiel mit ihr. Das ging so weit, dass sie ihr zu essen gaben und sie – Gipfel des Frevels - sogar tauften. „Frau Diavolo“ sollte sie heissen, also Bruder Teufel.

Der Übermut der Hirten und Sennen kannte keine Grenzen. Besonders der Zusenn war an Frevelhaftigkeit kaum zu überbieten. Beim Essen nahm er die Puppe auf den Schoss, strich ihr Butter in den Mund und gab ihr Milch zu trinken. Nach den Mahlzeiten faltete er ihr die Hände und sprach ein spöttisches Tischgebet.

So ging das den ganzen Sommer über und keiner gebot dem Treiben Einhalt. Als die Alpabfahrt bevorstand, veranstalteten die Hirten und Sennen eine Abschiedsfeier, bei welcher der Zusenn den Bogen überspann. Plötzlich erwachte die Puppe zu Leben, begann mit den Augen zu rollen und funkelte die Hirten und Sennen böse an. Dann packte sie den Zusenn mit eisernem Griff und zischte: „Ihr könnt jetzt alle abfahren, aber der Zusenn,- der bleibt hier.“

Hirten und Sennen sprangen auf und stürzten aus der Hütte. Auch der Zusenn wollte sich losreissen, aber es gelang ihm nicht. Er hörte noch, wie das Vieh Hals über Kopf abgetrieben wurde, aber diesmal war das kein festlicher Anlass, vielmehr war es panische Angst, welche die Hirten und Sennen ins Tal trieb. Als sie sich am nächsten Rank noch einmal umdrehten, sahen sie mit Schaudern, dass sich die Puppe in den Teufel verwandelt hatte. Der war gerade dabei, die Haut des Zusenns auf dem Dach der Hütte aufzuspannen, und schleuderte ihnen böse Blicke nach. Da rannten sie um ihr Leben ...


Der Abfahrtstag ist der Höhepunkt im Leben der Sennen und Hirten. So verwundert es nicht, dass das in den meisten Sagen der entscheidende Tag ist. Oft wird die Puppe erst an diesem Tag lebendig. Es gibt Varianten, in denen sich die Abfahrenden umdrehen oder gar zurückkehren, um den Zusenn zu retten. Diese Waghalsigen kommen meist selbst zu Tode oder werden geschunden. Manchmal verwandelt sich die Puppe in den Teufel, oft in eine Frau, was eine sexuelle Komponente ins Spiel bringt - dann münden Langeweile und Übermut in sexuelle Begierde.


Das Lied von der heiligen Margareta


Es kommt auch vor, dass die Mensch gewordene Puppe ein Segen ist – sei es als Haushaltshilfe oder als eine die Fruchtbarkeit mehrende Gestalt, jedenfalls solange sie gut behandelt wird. Eine solche Gestalt ist die heilige Margareta, von der das rätoromanische Margaretenlied handelt. Die weise Margareta lebte sieben Jahre lang unerkannt in der von Männern dominierten Bergwelt und die Alpwirtschaft blühte und die Fruchtbarkeit hatte kein Ende. Als die heilige Margareta eines Tages zufällig vom Hirtenbub erkannt wurde, bot sie ihm allerlei Belohnungen an, um ihr Geheimnis zu wahren: Kühe, die er drei mal täglich melken, Schafe, die er drei mal jährlich scheren, und eine Wiese, die er drei mal jährlich mähen könnte ... Als der Junge aber den Mund nicht halten wollte, musste er bis zum Hals in der Erde versinken. Da war es vorbei mit der Fruchtbarkeit auf der Alp.



Die meisten Sagen von der Sennenpuppe gehen schlecht aus. Ein Happy End scheint generell in der Sagenliteratur nicht vorgesehen zu sein, denn die Sage zeichnet kein individuelles Schicksal nach, sondern stellt ein typisches Geschehen dar. Und das Typische ist offenbar die Katastrophe. So bleibt die Sennenpuppe wohl in jeder Hinsicht – als segensreiche und als Furcht erregende Figur - eine Männerphantasie.


Jens Dittmar









1 In: Otto Seger, Sagen aus Liechtenstein. Vaduz 1966.





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