OS ERLANGEN PRAG TEIL II 161952008 MARTIN HEIDEGGER

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SEMINAR PRAGERLANGEN HEIDEGGER DIE ZEITPARAGRAPHEN DER SEIN UND ZEIT

Exzerpt

OS Erlangen - Prag,, Teil II 16.-19.5.2008

Martin Heidegger: Sein und Zeit

Ref. von Silja Luft-Steidl, Gerhard Steidl



§79 Die Zeitlichkeit des Daseins und das Besorgen von Zeit (im Sechsten Kapitel)


„Das Dasein existiert als Seiendes, dem es in seinem Sein um dieses selbst geht.“ Es hat sich selbst auf „sein Seinkönnen entworfen“. In diesem Entwerfen ist es selbst das Geworfene. Daher sorgt es sich; es bespricht dies mit anderen Menschen, und es plant Lösungen. In diesem Planen wird es zeitlich: „Dann“ soll das geschehen (vorausschauend), „zuvor“ soll etwas seine Erledigung finden (behaltend), „jetzt“ soll etwas nachgeholt werden (gegenwärtigend). „Dann“ und „Zuvor“ zielen beide auf ein „jetzt“ oder von ihm weg. Daher hat das Gegenwärtige auch sein eigenes Gewicht.

Jedes „dann“ ist ein „dann, wann...“, das „damals“ ein „damals, als...“, jedes „jetzt“ ein „jetzt, da...“. Dies macht die Datierbarkeit aus. Was ist wesenhaft für eine solche Datierung? All diese drei „dann“, „damals“, „jetzt“ hängen mit „der Zeit“ zusammen, was wir selbstverständlich begreifen. Warum begreifen wir das so selbstverständlich? Es scheint nicht aus der Erfahrung zu stammen, weil wir „jederzeit“ fähig sind, diese Zusammenhänge zu verstehen. Selbst wenn sie nicht in einer Einzelaussage explizit erwähnt werden, sondern im Hintergrund mitschwingen. Es spricht sich sozusagen „mit aus“, und das in der Gegenwart, mit dem Akt des Aussprechens.1

Das so Ausgelegte nennen wir „Zeit“. Daher argumentiert Heidegger, daß die „Zeit“ allermeistens in dieser Datierung der „Besorgten“ bekannt ist. Zu dem „jetzt, dann und damals“ gehört die Struktur der Datierbarkeit, was die Herkunft aus der sich auslegenden Zeitlichkeit beweist. Dem „jetzt“ liegt immer ein „Gegenwärtigen von Seiendem“ zugrunde. Hierin legt Zeit sich selbst aus. Im Gegenwärtigen bekommt das, was es ausdrückt, den Charakter des Erschlossenen: „Jetzt, da ich dieses Buch habe“. Selbiges gilt für die Wörter „heute“, „später“ und „früher“.

Dem „dann” liegt ein „jetzt, noch nicht” zugrunde. Der Sorgende kann sein Planen dann mit „bis dahin” Aussagen zum Ausdruck bringen. Diese sind verknüpft mit der „Dauer”. All diese sind in der Struktur der Datierbarkeit angeordnet mit einer wechselnden Spannweite untereinander. Wenn der Besorgende ein zu Besorgendes aus den Augen verliert, wird dessen Zeitlichkeit verdeckt. Dadurch bekommt die Zeit gewisse Löcher innerhalb eines angenommenen kontinuierlichen „Jetzt-Flusses”.2

„Ich habe keine Zeit”, kennzeichnet den Vielbesorgten, der an das zu Besorgende seine Zeit verloren hat, er ist als unentschlossen zu beschreiben. Der Entschlossene verliert seine Zeit nicht, da die Zeitlichkeit der Entschlossenheit den Charakter des Augenblicks hat. Er hat ständig Zeit für das, was die Situation von ihm verlangt. Erschlossen ist das Dasein immer verbunden mit dem „Mitsein” mit den anderen. Die anderen verstehen (ebenso besorgt wie man selbst), wenn man von „jetzt, da...” redet. Jedoch versteht nicht jeder darunter dasselbe. Aber man versteht im Dialog mit anderen, daß die Zeit, von der man redet, nicht die eigene Zeit ist, sondern eine, die es allgemein gibt, und mit der alle rechnen, sie wird dadurch öffentlich.3



§ 80 Die besorgte Zeit und die Innerzeitigkeit (ebd.)


In welchem Sinne ist die ausgesprochene Zeit öffentlich? Ist sie objektiv oder subjektiv? Im Besorgen wird die Zeit zwangsläufig öffentlich. Man richtet sich nach ihr wie nach einem für alle öffentlich sichtbaren Stern. Das Besorgen vollzieht sich durch das Datieren. Die Zeitrechnung (bsp. kalendarisch) hat darin seine ontologische Notwendigkeit, daß der in die Welt hineingeworfene Mensch sich sorgen muß. Am Anfang war also nicht das Rechnen mit Zahlen, was der Zeit Stunden und Minuten gegeben hat, sondern die Zwangsläufigkeit, daß wir mit der Zeit rechnen müssen.

In der öffentlichen Zeit begegnen sich Vorhandenes und Zuhandendes. Beide sind innerzeitig. Das Sein des Daseins ist die Sorge. Daher muß der Mensch Möglichkeit haben, vorausschauen zu können, er braucht eine Sichtmöglichkeit. Daher erkennen wir die Natur. Am Tage, wo bessere Sichtverhältnisse herrschen, nimmt er sich mehr Zeit zum Sorgen, in der Nacht kümmert er sich weniger. Daher ist das natürlichste Zeitmaß der Tag. Die Regelmäßigkeit, mit der sich dieser Wechsel vollzieht, ist hierbei wichtig.4

Dies vollzieht sich auch für die anderen Menschen in derselben Weise. So rechnen andere ebenfalls mit diesem Zeitmaß. Die Uhr ist ein Ausdruck dessen, daß Zeit so entdeckbar ist. Die künstlichen Uhren müssen hierbei den Natürlichen angeglichen werden.

Die Zeitmessung veröffentlicht auf ihre Weise die Zeit. Und sie bestimmt, „wann es Zeit ist, zu...”. Die ausgelegte Zeit hat also von Haus aus den Charakter der „Zeit, zu...”, also immer in einem Bezug auf ein Wozu. Sie konstituiert die Weltlichkeit der Welt. Daher nennen wir sie Weltzeit. Die besorgte Zeit ist also: datierbar, gespannt, öffentlich, gehört als so strukturierte zur Welt selbst.5

Die Veröffentlichung der Zeit wurde mit der Verfeinerung der Uhrengebrauchs verfestigt. Und sie wurde aufgeweicht dadurch, daß wir heute die Nacht zum Tag machen können. Der Blick auf die Sonne ist daher nicht mehr zwangsläufig zeitmessend. Trotzdem bleibt die Uhr am 24 Stunden-Rythmus des Tages gebunden, obwohl man sich von der „Himmelsuhr” unabhängiger macht. Auch primitives Dasein versucht sich davon zu lösen, indem es nicht den Sonnenstand selbst mißt, sondern den Schatten, den sie wirft. So gibt es bsp. in einem Dorf einen Punkt (eine Sonnenuhr), an dem abgelesen werden kann und anhand dessen auch mit anderen Menschen Zeitpunkte und Treffen geplant werden können. Die Uhr trägt dabei das Dasein noch nicht einmal in sich, es ist sie in gewisser Weise selbst.

Warum finden wir an den Stellen, wo der Schatten einer Sonnenuhr auf ein Ziffernblatt trifft, Zeit? Was bedeutet als Zeitablesung? Es ist für uns so selbstverständlich, daß man auch hier von einer Selbstauslegung dieses „Jetzt” auf der Uhr sprechen kann. Es ist Gegenwärtigen von etwas Vorhandenem. Das Bezugnehmen selbst hat den Charakter des Messens. Es wird automatisch mit dem Ablesen das Enthaltensein eines Maßstabes suggeriert, daß also dieser Punkt, den man abliest, im Verhältnis zu einer Strecke steht. So vollzieht sich die Veröffentlichung der Zeit beim Abmessen.6

Die Zeitlichkeit ermöglicht die Raumerschließung und ermöglicht für uns, daß wir ein “Dort” feststellen können, in dem wir „Jetzt noch nicht sind”. Sie ist für alle verbindlich und damit öffentlich. Daher lassen sich Datierungen auch interpersonell vermitteln. Die Zeit ist nicht an einen Raum „gekoppelt”, sondern der Raum begegnet uns aufgrund der zeitbesorgenden Zeitlichkeit. So ist der Uhrengebrauch selbst, der Zeit nicht nur ableitet, sondern in gewissermaßen selbst ist, ontologisch geschichtlich.

Die Zeit wird aber durch Datierung noch nicht zum Raum. Das wesentliche der Zeitmessung liegt auch nicht im zahlenmäßigen Messen der Entfernungen in Räumen (beispielsweise eines Schattens). Es findet also keine Verräumlichung der Zeit statt. Außer Strecke und Zahl bleibt beim Messen nämlich nichts übrig. Je weniger Zeit wir zu verlieren haben, desto wichtiger wird das Zeitmessen aber für uns. Daher muß es optimiert werden; sogar die Zeit, die es dauert, die Zeit abzulesen, muß verbessert werden.7

Durch die Zeitmessung wird uns erst bekannt, was wir überhaupt Zeit nennen, wenn wir im Besorgen jedem Ding seine Zeit zusprechen, denn jedes Ding hat ja nur Zeit, wenn es „in der Zeit” ist. In der Zeit meint hier die „Weltzeit”, die dieselbe Transzendenz hat wie die Welt. Die Zeit ist nicht objektiv noch subjektiv. „Die Weltzeit ist objektiver als jedes Mögliche Objekt, weil sie als Bedingung der Möglichkeit des innerweltlich Seienden mit der Erschlossenheit von Welt je schon ekstatisch-horizintal ‚objiciert’ wird.“ Die Weltzeit wird also ebenso unmittelbar im Physischen wie im Psychischen vorgefunden (anders als Kant behauptete). Die Zeit wird sogar mit dem Himmel identifiziert. „Die Weltzeit ist aber auch subjektiver als jedes mögliche Subjekt, weil sie um wohlverstandenen Sinne der Sorge als des Seins des faktisch existierenden Selbst dieses Sein erst mit möglich macht.” Sie ist also weder im Subjekt noch im Objekt vorhanden. Sie ist früher als beide, da sie die Bedingung der Möglichkeit für ein “früher” überhaupt erst darstellt. Hat sie damit überhaupt ein Sein?

Sie müßte wie jedes nicht daseinsmäßige Seiende unzeitlich bestehen, auch wenn ihre Entitäten (z.B. Die Innerzeitlichkeit zwischen etwas Vorhandenem und etwas Zuhandenem) vergehen können. Sie kann aber als solche nicht verdinglicht werden oder als subjektiv angenommen werden; man sollte, ebenso wie man mit der Zeit im Alltag auch umgeht, dieselbe als theoretisch begreifen, und so jede Möglichkeit nehmen, sie selbst zu verzeitlichen. Im Alltag begegnet die Zeit einem “in der Zeit”. Daher muß man, möchte man den Zeitbegriff aus der Vulgärsprache verstehen, beim Punkt der Innerzeitlicheit suchen.8



Evtl. zur Diskussion: Überlegenswert wären andere Zeitvorstellungen, die nicht vom Selbstumgang der Sorge, sondern der pathischen Dimension, von Verselbständigungen des Leiblichen geleitet sind (bes. V. v. Weizsäcker) sowie des Zusammenfalls von Weltzeit und aktueller Zeit etwa in der Meditation.

















1 SuZ, S. 406f.

2 SuZ, S. 408f.

3 SuZ, S. 410f.

4 SuZ, S. 411f.

5 SuZ, S. 413f.

6 SuZ, S. 415f.

7 SuZ, S. 417f.

8 SuZ, S. 419-420.


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