FINNLAND INFO 1121 41113 BURNOUT SCHWEIZER LEHRPERSONEN IM

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Burnout - Schweizer Lehrpersonen im Spagat



Finnland Info 1121


4.11.13




Burnout - Schweizer Lehrpersonen im Spagat?


André Müller, ehemaliger Schulleiter in Wasen, denkt über das Phänomen Burnout nach. Er hält in seinen nachfolgenden Aussagen fest: „Der ökonomische Unterrichtsstil verbunden mit einer professionellen Gelassenheit fördern scheinbar die Arbeitszufriedenheit der finnischen Lehrkräfte“.

Als bedeutungsvoll erachtet er zudem das Arbeiten im Team, das erlaube die Verantwortungen zu teilen. Müller besuchte, als Teilnehmer der LEBE- Bildungsreise nach Finnland, in Jyväskylä verschiedene Schulen.


Die Fragen stellte Marianne Rupp



Welchen Eindruck bekamen Sie von der Berufszufriedenheit der Lehrpersonen in Finnland?

Mir ist eine insgesamt ruhige und gelassene Atmosphäre sowohl auf Schüler- als auch auf Lehrerseite aufgefallen. Die Lehrerinnen und Lehrer wirken in der Ausübung ihrer täglichen Arbeit ausgeglichen, zufrieden und in ihren Kollegien gut aufgehoben.

Ich habe in keiner Schule das Gefühl bekommen, die finnischen Lehrkräfte seien bestrebt, den Besuchern aus dem Ausland didaktisch-methodisch besonders durchdachte Lektionen zu präsentieren. Im Gegenteil, die von uns besuchten Lektionssequenzen waren unspektakulär, einfach und haben den normalen finnischen Unterrichtsalltag vermutlich realitätsnah wiedergegeben.

Dabei habe ich mich gefragt, ob wir in der Schweiz nicht dann und wann zu viel wollen. Würden wir mit weniger didaktischem Aufwand und Perfektionismus nicht gleiche oder vergleichbare Resultate erreichen und dabei erst noch gesünder bleiben? Die Einfachheit des Unterrichts, die spürbare Gelassenheit der Lehrkräfte gegenüber diversen Unzulänglichkei-ten, welche es natürlich auch in finnischen Schulen gibt, haben mich zugleich überrascht und beeindruckt.


Wie beurteilen Sie als Kollege das finnische Berufsumfeld?

Die folgenden Merkmale im finnischen Berufsumfeld beeinflussen die Zufriedenheit der Lehrkräfte meiner Meinung nach positiv: In allen Bildungsinstitutionen (Kindergarten, Vorschule, Schule) gibt es eine enge institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen nicht nur gut ausgebildeten sondern auch an Ort verfügbaren Fachkräften, die sich zum Wohle des Kindes und der Erwachsenen gegenseitig unterstützen und entlasten.

Der Lehrerberuf geniesst in Finnland ein viel grösseres gesellschaftliches Ansehen als bei uns in der Schweiz. „Kerzen des Volkes“ werden die finnischen Lehrerinnen und Lehrer vielerorts respektvoll genannt. Diese Anerkennung der pädagogischen Arbeit mit Kindern aller Altersstufen stärkt die Lehrkräfte und Betreuungspersonen in ihrer täglichen Arbeit. Ausdruck des Stellenwertes des Lehrerberufes ist die Tatsache, dass 30% der Matura-Absolventen sich für einen Pädagogik-Studienplatz bewerben. Auf einen solchen Platz kommen nicht weniger als 7-10 Bewerber!

Zudem gibt es in Finnland, in den ersten neun Schuljahren, keine Selektion. Das heisst, die Pädagogen können sich in ihrer Tätigkeit aufs „Fördern“ konzentrieren. Meinungsverschiedenheiten mit Eltern rund um Selektionsfragen bleiben den finnischen Lehrkräften somit während der Volksschulzeit weitgehend erspart. In der Schweiz sind es oft genau diese energie- und motivationsraubenden Auseinandersetzungen, welche uns stark zusetzen.


Was ging Ihnen beim Beobachten der Schülerinnen und Schüler durch den Kopf?

Beim Beobachten von Kindern aller Stufen ist mir die ruhige und friedliche Atmosphäre während dem Unterricht und in den Pausen aufgefallen. Überall begegnen sich Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte und Besucher mit Achtung und gegenseitigem Respekt. Es gibt kaum Kinder, die den Unterricht stören oder auf dem Schulareal unangenehm auffallen. Während dem Unterricht gibt es natürlich auch Kinder, die in Gedanken woanders oder mit anderen Dingen beschäftigt sind. So lange sie den Unterricht aber nicht stören, wird dies von den Lehrkräften in der Regel toleriert. Die Schülerinnen und Schüler verhalten sich diszipliniert und rücksichtsvoll.

Ich habe mich in allen Schulen im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern auf Anhieb wohl gefühlt.


Was ist ihrer Meinung nach ausschlaggebend, dass Burnout in der Schweiz bedeutend häufiger auftritt als in Finnland?

Wenn wir in der Schweiz etwas für die Burnout-Prävention tun wollen, müssen sich die Lehrkräfte wieder vermehrt auf ihre eigentliche Kernaufgabe, das Unterrichten, konzentrieren können.


Dies ist vor allem dann möglich, wenn die Kinder wie in Finnland (bereits ab dem 2. Lebensjahr) sozialisiert, in die Gemeinschaft eingegliedert und von ihr getragen werden. Die Kinder lernen dort früh, Verantwortung für ihr eigenes Handeln und für die Gemeinschaft zu übernehmen. Das ist es, was mich in Finnland am meisten beeindruckt hat.


Auf den Anfang kommt es an!“

Von diesem bildungspolitischen Grundsatz konnten wir uns in Kindergarten und Vorschule der Stadt Jyväskylä überzeugen. Die Kinder werden halb- oder ganztags abwechselnd altersgemischt und altershomogen betreut. Die Kleinen lernen von den Grossen bei Spiel, Tanz und anderen Aktivitäten. In diesem Umfeld wachsen sie früh zu selbstständigen und gut in die Gemeinschaft integrierten Individuen heran. Dies ist das Fundament, auf dem die Schulen später aufbauen können. Ich vermute hier die eigentliche Basis für den Erfolg des finnischen Schulsystems. Ausserdem gehören nicht nur Schulleitung, Klassenlehrerinnen und –lehrer sowie Fachlehrkräfte zum ganzheitlichen Stütz- und Fördersystem einer jeden finnischen Schule. Zusätzlich stehen Kuratoren (Schulsozialarbeitende, H.J.), die sich im Auftrag der Gemeinde um die sozialen Belange kümmern, Schulpsychologen, Sozialpäda-gogen, Speziallehrer mit sonderpädagogischer Ausbildung, eine Gesundheitsschwester und Schulassistenten (mit einjähriger Ausbildung, H.J.) zur Verfügung. Sie entlasten die Lehrerinnen und Lehrer von all den belastenden Zusatzaufgaben, die sie an der Ausübung ihres Kernauftrages hindern. Diese beteiligten Personen müssen auch in kleinen Schulen mindestens einen Tag pro Woche anwesend sein; in grossen Schulen sind sie es gar täglich. Eingebettet in dieses ganzheitliche Stütz- und Fördersystem fühlen sich die finnischen Lehrkräfte weniger als Einzelkämpfer, sondern mehr als Teil eines professionell zusammenarbeitenden Teams. Dadurch nehmen sie ihre Arbeit subjektiv als weniger belastend wahr. Wer aber, wie bei uns, Sozialarbeiterin, Psychologin, Klassenlehrerin und Speziallehrerin in einer Person sein soll, kann keines davon richtig sein. Das Burnout muss jede Lehrkraft bedrohen, die über längere Zeit einen solchen Spagat versucht.


Die Anzahl von ausgebrannten Lehrpersonen steigt bei uns in den nächsten fünf Jahren, laut Prognose, dramatisch an. Welche Möglichkeit sehen Sie, dieser Tendenz entgegen zu wirken?

Um die Qualität der Schulen in der Schweiz zu verbessern und gleichzeitig unsere Lehrkräfte zu entlasten, müssten wir die bei uns vorhandenen Strukturen für die Betreuung in der Kindergarten- und Vorschulzeit (1-6 jährige Kinder) anpassen. Ein nachhaltiges Stütz- und Fördersystem sollte eingeführt werden, ohne dabei das gesamte Schulsystem umzubauen. An einzelnen Versuchsschulen liesse sich dies sogar relativ schnell realisieren. Erfolge wären sicher schon nach wenigen Jahren messbar. Was bisher fehlte, ist der politische Wille, solche Massnahmen umzusetzen.


Anmerkung H. Joss:

Haupthindernis für die Umsetzung eines konsequenten und nachhaltigen Stütz-und Fördersystems in der Schweiz:

Der nicht einlösbare Auftrag der Volksschule: Fördern UND auslesen.


Burnout: Lehrpersonen noch lange im Spagat? Ja.

Selbst der umstrittene Lehrplan 21 überlässt den unlösbaren Auftrag der Volksschule: ‚Fördern UND auslesen‘ den einzelnen Kantonen.


Eine Unterlassung der federführenden Erziehungsdirektorenkonferenz, an der die Umsetzung des Lehrplans 21 und des Bildungsartikels der Bundesverfassung scheitern wird.


Zitat Anfang: Mit dem Lehrplan 21 setzen die beteiligten Kantone den Bildungsartikel der Bundesverfassung um, wonach die Ziele der Schule zu harmonisieren sind‘.Zitat Ende

Aus:

http://www.lehrplan.ch/die-grundlagen-f%C3%BCr-den-lehrplan-21-sind-verabschiedet


Aus:

Berner Schule, Juli 2006


Siehe auch:

Bern-Info 55:3.11.13:Nimms mir nicht übel...

Finnland-Info 33 / Burnout bei finnischen Lehrpersonen

Finnland-Info 749:14.11.10:ZH: Das Mass ist mehr als voll: Lehrberuf Kt. Zürich

Finnland-Info 1055:12.9.12:BE:Schandmal Nr.1:Keine Gesundheitsfürsorge f Lehrpers.

Finnland Info 1121 Burnout: Schweizer Lehrpersonen noch lange im Spagat www.hansjoss.ch





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